Umsetzung: Bodenornament, Wand-Beschriftung, Online-Dokumentation

Aufgrund der oben beschriebenen Bebauungsgeschichte entstand die Idee, die Vergangenheit ein Stück weit in die Gegenwart herein zu holen. Ein wesentliches Anliegen war, mit dem Gestaltungsvorschlag kein Denkmal zu schaffen, sondern die Geschichte im Alltag erlebbar zu machen.

Zunächst wurden die Umrisslinien sämtlicher Gebäude in Originalgröße übereinander gelegt. Jeder Umriss ist farblich individuell gekennzeichnet und maßstabgetreu in den aktuellen Bebauungsplan einge­passt. Der Leopoldstädter Cavallerie-Kaserne wurde eine rote, dem Militärversorgungsetablissement eine gelbe und den Gebäuden der Wiener Stadtwerke eine blaue Linie zugeordnet.

Der Großteil eines Kasernentraktes sowie zwei Mauerabschnitte des Zentralmagazins der Wiener Stadtwerke befanden sich dort, wo sich der Fußgängerdurchgang von der Oberen Donaustraße zur Rembrandtstraße befindet. In einem nächsten Schritt wurde der Erdgeschoß-Grundriss der Kaserne in diesen Trakt hinein­montiert, wobei wir großen Wert darauf legten, die ursprünglichen Dimensionen möglichst zu bewahren.

Die Grundrisslinien werden mit dunkelroter Farbe auf den Boden des Durchgangs aufgebracht werden. Auf diese Weise entsteht ein abstraktes, aus roten Linien, Flächen und Zahlen bestehendes Ornament. FußgängerInnen, die mehr wissen wollen, finden auf dem Gebäude beim Eingang Obere Donaustraße eine großes Wandbild, dessen Form aus den Grundrissen sämtlicher Gebäude abgeleitet ist. In das Wandbild integriert ist der Hinweis auf diese Website, welche detailliertere Informationen über die Gebäudegeschichte enthält.


Materialien

Als Material für das Bodenornament haben wir uns für Bodenmarkierungsfarben entschieden, die auch im Straßenverkehr verwendet werden. Das Material nützt sich ab und verschwindet ganz allmählich ― und entspricht somit der Historizität des Projektes. Außerdem sind Bodenmarkierungen im Alltag meist mit allgemein bekann­ten Inhalten verbunden. Wir greifen auf diese Konvention zurück, um die Bedeutung unseres Bodenornaments anzudeuten, die sich erst durch die Wandgrafik und die Informationen auf der Website erschließt.

Passend zum Vokabular der Straße haben wir uns im Hinblick auf die farbliche Gestaltung des Bodenornaments sowie der Wandgrafik für die Farben Verkehrsrot (RAL 3020), Himmelblau (RAL 5015) und Verkehrsgelb (RAL 1023) entschieden.

Die farbigen Bodenmarkierungen finden sich in Form von übereinander montierten Grundrissen in der Wandgrafik wieder, wodurch der Betrachter einen Bezug zum Bodenornament und umgekehrt zum gesamten Grundstück herstellen kann. Diese Grundrisse sind in drei Ebenen, bestehend aus je 10 mm starken Aluminiumleisten, in den entsprechenden Farben pulverbeschichtet, übereinander montiert.


Leopoldstädter Cavallerie Kaserne, 1723 – 1863

Da die private Unterbringung von Soldaten angesichts ihrer wachsenden Zahl zunehmend unzumutbar geworden war, entschloss man sich nach bayrischem und französischem Vorbild auch in Österreich zum Kasernenbau.

Die Leopoldstädter Cavallerie-Kaserne wurde von 1721 bis 1723 erbaut und am 1. August 1723 erstmals bezogen. Das Grundstück war mit Ausnahme zweier privater Küchengärten ärarisch. Die Gärten wurden den EigentümerInnen, Joseph Zigeuner und der Witwe des Dominik Forti, abgelöst.

Mit Planung und Bau beauftragt wurden der Maurermeister Christian Alexander Oedtl sowie Architekt Jakob Prantauer. Der Unterschied zwischen den Grundriss-Originalplänen und der tatsächlichen Ausführung legt die Vermutung nahe, dass Baumeister und Architekt eine Art Kasernen-Typus entwickelt haben, der jeweils an die konkrete Nutzung und das Grundstück angepasst wurde.

Die Kaserne wurde von den niederösterreichischen Ständen finanziert und dem Habsburgerstaat unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Sie war eine von insgesamt vier Kasernen, die damals zusammen geplant und in Stockerau, Krems und Ybbs errichtet wurden. Der Kasernenstandort nahe dem Tabor war als Hauptverteidigungsstelle gegen Böhmen und Mähren strategisch bedeutend. Stationiert waren Kavallerieregimenter, etwa Kompanien des Dragonerregiments Bayreuth, ein Kürassier- und zwei Ulanenregimenter.

Die Anlage war rechteckig und einstöckig, gruppierte sich um zwei geräumige Innenhöfe und bot Platz für rund 600 Mann und ebenso viele Pferde. Das Haupttor befand sich in der Oberen Augartenstraße. Die Seitentrakte sprangen etwas zurück und wurden an allen vier Ecken von leicht vorgebauten, quadratischen Baukörpern abgeschlossen. Zwei Stiegenhäuser führten direkt in die Mannschaftsräume und von dort unmittelbar in die Küchen. Später wurde aus Hygiene- und Praktikabilitätsgründen ein Korridor gebaut, der die einzelnen Räume erschloss. In jedem Wohntrakt gab es zehn Gemeinzimmer und sechs Küchen. Jede Küche versorgte ca. 50 bis 60 Mann. Im ersten Stock befanden sich die Offizierszimmer und deren Küchen sowie Kranken- und einige Extrazimmer.

Die für die Reiter erforderliche „Ausrüstung“ war in den Wohntrakten gegenüber liegenden Gebäudeteilen untergebracht: Dort befanden sich Stallungen, Sattlerzimmer, Schmiede sowie die Wohnung des Hufschmieds, ferner Arrestzimmer, Wachstube und Gemeinabtritt.

Nach einem Hochwasser im Februar des Jahres 1862 fürchtete die Stadt Wien das Ausbrechen von Epidemien. In Anbetracht der ohnehin überfüllten Spitäler in der Stadt wurde die Regierung um die Erlaubnis gebeten, in der Leopoldstädter Kavalleriekaserne ein Filial-Krankenhaus errichten zu dürfen. Dieses wurde 1862 eröffnet und nach einigen Monaten im Juli desselben Jahres wieder geräumt.

 

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Joseph Daniel von Huber: Perspektivdarstellung von Wien und den Vorstädten bis zum Linienwall. 1769 – 1773 (1778), Ausschnitt 9. Kupferstich auf 24 Blättern, 1:1440, Ausrichtung nach Westsüdwest
© WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P1: 11

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Joseph Anton Nagel: Grundrissplan von Wien und den Vorstädten bis zum Linienwall. 1770 – 1773 (1780/81), Ausschnitt 9. Radierung und Kupferstich auf 16 Blättern, 1:2592, Ausrichtung nach Südwest
© WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P1: 5

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Carl Graf Vasquez: Pläne der Stadt Wien bzw. der Polizeibezirke innerhalb des Linienwalls, 1830er Jahre, Ausschnitt 3. Kolorierte Lithographien, verschiedene Maßstäbe, Ausrichtungen unterschiedlich.
© Anton Ziegler, Carl Graf Vasquez: Die k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien. Von den Jahren ihrer Entstehung bis zum Jahre 1827. Mit einem Situations-Plane. Wien 1827 [WStLA, Archivbibliothek H 15]

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Stich, links: Leopoldstädter Cavallarie Kaserne
© Archiv Bezirksmuseum Leopoldstadt

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Fassade, Profil und Grundriss des oberen Stockwerkes der Leopoldstädter Kavalleriekaserne, 1723
© Alterthumsvereine zu Wien, redigiert von Anton Mayer (Hg.): Wien 1911. In: Geschichte der Stadt Wien. Bd. IV. (Vom Ausgang des Mitelalters bis zum Regierungsantritt der Kaiserin Maria Theresia 1740. I. Teil) − Wien, Druck & Verlag von Adolf Holzhausen. K.u.K. Hof- u. Univ.Buchdrucker 1911, Seite 212

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Oben: Grundriss der ebenerdigen Ubikationen für eine "Ordinari-Kompagnie" in der Leopoldstädter Kavalleriekaserne, 1723.
Unten: Grundriss der ebenerdigen Ubikationen für eine "Karabinier- oder Grenadier-Kompagnie" in der Leopoldstädter Kavalleriekaserne, 1723. Der Grundriss des Wohntraktes wurde für das Bodenornament verwendet. Die Funktionen der Räume wurden mit Ziffern bezeichnet: 1: Wachtmeisterzimmer; 2: Fourierszimmer; 3: zehn Gemeinzimmer; 4: sechs Küchen, jede gemeinschaftlich für zwei Zimmer; 5: zwei Sattel- und Monturkammern; zwei halbe Stiegen; 7: 3 Gänge
© Alterthumsvereine zu Wien, redigiert von Anton Mayer (Hg.): Wien 1911. In: Geschichte der Stadt Wien. Bd. IV. (Vom Ausgang des Mitelalters bis zum Regierungsantritt der Kaiserin Maria Theresia 1740. I. Teil) − Wien, Druck & Verlag von Adolf Holzhausen. K.u.K. Hof- u. Univ.Buchdrucker 1911, Seite 214

 

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Detail aus dem Grundriss der ebenerdigen Ubikationen für eine "Karabinier- oder Grenadier-Kompagnie" in der Leopoldstädter Kavalleriekaserne, 1723, welches für das Bodenornament in der Wohnhausanlage verwendet wurde. Die Ziffern auf dem Plan bezeichnen die Funktionen der Räume: 1: Wachtmeisterzimmer; 2: Fourierszimmer; 3: zehn Gemeinzimmer; 4: sechs Küchen, jede gemeinschaftlich für zwei Zimmer; 5: zwei Sattel- und Monturkammern; zwei halbe Stiegen; 7: 3 Gänge
© Alterthumsvereine zu Wien, redigiert von Anton Mayer (Hg.): Wien 1911. In: Geschichte der Stadt Wien. Bd. IV. (Vom Ausgang des Mitelalters bis zum Regierungsantritt der Kaiserin Maria Theresia 1740. I. Teil) − Wien, Druck & Verlag von Adolf Holzhausen. K.u.K. Hof- u. Univ.Buchdrucker 1911, Seite 214


Militärverpflegsetablissement, 1863 – 1963

Von 1863 bis 1865 wurde die Kaserne wegen ihres schlechten Bauzustands abgerissen. Auf einem Teil des frei gewordenen Geländes wurde auf Anweisung des Kriegsministeriums als Sichtziegelbau das Militärverpflegs­etablissement errichtet. Dabei handelte es sich um einen Gebäudekomplex, der sich aus einem Kornfruchtdepot, einem Mühlengebäude mit Fruchtspeicher, einem Backhaus sowie einem Administrationsgebäude zusammensetzte.

 

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Stadtplan-Ausschnitt Obere Donaustr. 15A, 1020 Wien, aus dem Jahr 1892
Credit: WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe
Sammelbestand, P2: 309

Während der ersten Republik befand sich im ehemaligen Militärverpflegsetablissement die Zentral­verpflegs­anstalt des Bundesheeres. Während dieser Jahre dürften auch jene Stallungen errichtet worden sein, die sich vis-a-vis vom Backhaus und parallel zur heutigen Scholzgasse in Richtung Obere Augartenstraße erstreckten. 1931 wurde das Mehlmagazin an der Oberen Augartenstraße abgetragen und ein nach wie vor bestehender städtischer Wohnbau errichtet.

Das Backhaus des Militärverpflegsetablissements wurde ab 1919 als Hammerbrotwerk genutzt. Hammer­brot­werke waren Fabriken einer Großbäckerei der Wiener Arbeiterschaft in Wien und Umgebung, die aufgrund der hohen Brotpreise von der sozialdemokratischen Genossenschaftsbewegung 1909 gegründet wurde und bis 1969 bestand. Die erste Fabrik entstand 1918 in Schwechat, 1919 folge ein Werk in Floridsdorf und wenig später das oben erwähnte dritte Werk im ehemaligen Militärverpflegsetablissement in der Leopold­stadt. Der aktuellste historische Stadtplan, auf dem es noch verzeichnet ist, stammt aus dem Jahr 1945. Laut Wien Energie wurde das Gebäude erst 1963 abgerissen. Die letzte Hammerbrotfabrik befand sich bis 1972 in Floridsdorf.

 

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Stadtplan-Ausschnitt Obere Donaustr. 15A, 1020 Wien, aus dem Jahr 1945
Credit: WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe
Sammelbestand, P2: 883

Außer dem Verwaltungsgebäude in der Oberen Donaustraße existiert heute keines dieser Gebäude mehr. Es wurde restauriert und ist heute ein Bürogebäude.

 

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Postkarte vom Administrationsgebäude des Militärversorgungsetablissements
Credit: Archiv Bezirksmuseum Leopoldstadt


Wiener Stadtwerke bzw. Wien Energie: Umspannwerk und Zentralmagazin, 1929 – 2014

Laut Auskunft der Wien Energie GmbH errichteten die Wiener Stadtwerke 1928/29 in unmittelbarer Nähe der Gemeindebauten an der Oberen Augartenstraße ein Umspannwerk, das erst 2011 abgetragen wurde. Das 1893 errichtete Kesselhaus wurde 1933 zum „Zentralmagazin“ mit Trafo-Werkstätte umgebaut und 1988 abgebrochen.

 

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Stadtplan-Ausschnitt Obere Donaustr. 15A, 1020 Wien, aus dem Jahr 1928
© WStLA, Kartografische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P2: 884

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Stadtplan-Ausschnitt Obere Donaustr. 15A, 1020 Wien, aus dem Jahr 1945
© WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P2: 883

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Stadtplan-Ausschnitt Obere Donaustr. 15A, 1020 Wien, aus dem Jahr 1964
© WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P2: 1400


Literatur- und Quellenverzeichnis

Literatur:

Alterthumsvereine zu Wien, redigiert von Anton Mayer (Hg.): Wien 1911. In: Geschichte der Stadt Bd. IV.

Czeike, Felix: Historisches Lexikon Wien. Band 1 - 5 [und Ergänzungsband]. − Wien, Kremayr & Scheriau 1992-2004

Kisch, Wilhelm: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessantesten Häuser. Band I. − Wien 1988

Lehrer-Arbeitsgemeinschaft Wien II., Sektion Heimatkunde: Leopoldstädter Heimatbuch. − Wien, Selbstverlag 1937

Neumann, Charlotte: Geschichte der Wiener Kasernen im 18. Jahrhundert. − Wien, phil. Diss., 1948

Rill, Robert, Der Festungs- und Kasernenbau in der Habsburgermonarchie. In: Das achtzehnte Jahrhundert und Österreich. Jahrbuch der österreichischen Gesellschaft zur Erforschung des 18. Jahrhunderts, 11. Band. − Wien, WUV-Universitätsverlag 1996

Zeinar, Hubert: Zur Kulturgeschichte der Kasernen unter besonderer Berücksichtigung niederösterreichischer Kasernen. − Wien, Diplomarbeit, 1987

 

Stiche & Postkarten:

Bezirksmuseum Leopoldstadt (Lexikoneinträge, Bildmaterial)

 

Historische Stadtpläne:

WstLA (Wiener Stadt- und Landesarchiv), Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P2: 309
WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe − Sammelbestand, P2: 883
WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P2: 884
WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P2: 1400
WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P1: 5
WStLA, Kartographische Sammlung: Allgemeine Reihe – Sammelbestand, P1: 11

Anton Ziegler, Carl Graf Vasquez: Die k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien. Von den Jahren ihrer Entstehung bis zum Jahre 1827. Mit einem Situations-Plane. Wien 1827 [WStLA, Archivbibliothek H 15]

 

Pläne der Leopoldstädter Cavallerie-Kaserne:

Alterthumsvereine zu Wien, redigiert von Anton Mayer (Hg.): Wien 1911. In: Geschichte der Stadt Wien. Bd. IV. (Vom Ausgang des Mitelalters bis zum Regierungsantritt der Kaiserin Maria Theresia 1740. I. Teil) − Wien, Druck & Verlag von Adolf Holzhausen. K.u.K. Hof- u. Univ.Buchdrucker 1911, Seite 212 und 214

 

Internet:

http://de.wikipedia.org/wiki/Milit%C3%A4rverpflegungsetablissement;
http://de.wikipedia.org/wiki/Leopoldst%C3%A4dter_Kaserne; www.dasrotewien.at, www.obvsg.at,
www.wien.gv.at, www.bezirksmuseum.at, www.hgm.or.at, www.parkline.at, www.digitaldruck-fabrik.de

 

Für die freundliche Unterstützung bei den Recherchen danken wir insbesondere dem Bezirksmuseum Leopoldstadt.